Confit Byaldi im Pixar-Stil
"Ich muss mir erst einmal eine Mandoline kaufen." Diese Bemerkung über mein nächstes Koch-Blog-Experiment löste bei meinem Gegenüber Befremden aus – und Schweigen. Dann: "Ich dachte, du kochst." "Das tue ich auch", lachte ich und klärte auf: "Für das Rezept brauche ich einen Gemüsehobel. Den nennt man auch Mandoline. "
Mandoline und Paris – zwei Zutaten für ein filmreifes Rezept Mit Musik hat das nächste Rezept also nichts zu tun. Obwohl ich hoffte, dass in dem Gericht geschmacklich Musik stecken würde. Ich ließ mich dieses Mal nämlich mehr oder weniger überraschen: Eva und Jörg, meine Kochpartner für dieses READ&EAT-Event, hatten den Vorschlag gemacht, ein Confit Byaldi zuzubereiten. Vorlage: ein mir bis dahin unbekannter Zeichentrickfilm. Der Kochausflug mit dem befreundeten Pärchen führt also ins Kino, wieder nach Frankreich, nur bedeutend weiter nördlich als zum Beispiel bei "Birnenkuchen mit Lavendel". Wir sind in Paris und erleben die französische Hauptstadt bei diesem filmisch-kulinarischen Ausflug hauptsächlich von unten – aber auch von oben: Die Hauptfigur zieht vom Untergrund im Verlauf der Handlung in eine kleine Mansarde mit einem spektakulären Blick über die Dächer von Paris. Kochen wie im Kino – Disney dient als Vorlage Der ungewöhnliche Protagonist arbeitet dort in einem Edel-Restaurant, dem Gusteau´s. Der Feinschmecker-Tempel scheint nach dem Tod des namensgebenden Maîtres seine besten Zeiten jedoch hinter sich zu haben: Dem Haus sind ein, zwei Kochsterne verloren gegangen. Auguste Gusteau hat vor Gram das Zeitliche gesegnet. Skinner, der neue Chefkoch, denkt vor allem an schnelle Gewinne – mit Gerichten für die Mikrowelle und aus der Tiefkühltruhe. Eigentlich nichts für verwöhnte Gourmet-Gaumen. Frischer Wind und neues Niveau kommen erst wieder mit Alfredo Linguini und Remy, dem Star des Films, in die Küche. Linguini beginnt als Tellerwäscher in der Sterne-Gastronomie und hat vom Kochen keine Ahnung. Dennoch wird er bald als kommender Star am Gastro-Himmel gefeiert. Das verdankt er Remy. Der wiederum ist ein Virtuose am Kochtopf – nur darf keiner von ihm wissen. Denn er und seinesgleichen sind gewöhnlich nicht besonders gern gesehene Gäste in Restaurants – weder vor noch hinter den Kulissen. Gourmet-Gericht mit Happy-End Remy ist nämlich eine Ratte. Allerdings eine Ratte mit besonderen Gaben. Ein Gourmet-Nager mit superfeinen Sinnen, der in Gerüchen und Geschmackserlebnissen nur so schwelgt, während seine Artgenossen lediglich an Abfällen knabbern und froh sind, wenn diese nicht vergiftet wurden. Remy ist etwas aus der Art geschlagen – und ein großer Fan von Gusteau, der mit seinem Buch "Jeder kann kochen" zu Weltruhm gelangte. Remy nimmt den Titel wörtlich und komponiert köstliche Speisen nach des Meisters Vorbild. Inkognito, denn alle Welt hält den Küchenjungen für den Schöpfer einer sensationellen Suppe, eines gewagten Kalbs-Bries und eines köstlichen Confits. Das erweicht zum Ende des Animationsfilms aus dem Hause Disney/Pixar selbst einen verknöcherten Gastrokritiker und führt zum Happy End für (fast) alle. Rattenscharf: Ratatouille, wie Remy es kocht Das ist das Gericht, das bei diesem Kochexperiment auf unserer Speisekarte steht: Eva, Jörg und ich kochen ein Ratatouille nach Rattenart. Zur Vorbereitung hat Eva mir ein YouTube-Tutorial geschickt. Das war sehr hilfreich – so wusste ich immerhin von vornherein, dass in meiner sparsam ausgestatteten Küche noch der Gemüsehobel fehlt. Der lag jedoch jetzt mit allen Zutaten parat, als Eva und Jörg bei mir eintrudelten. Außerdem am Start: Tomaten, Auberginen, Zucchini, Paprika, Knoblauch und Kräuter, allerlei Küchengerät sowie Backpapier. |
Vom Häuten der Tomaten und anderen Arbeitsschritten Remis Ratatouille entsteht in zwei Schritten: Zunächst wird die Soße zubereitet, dann das Topping. Für den Gemüsebelag müssen die Tomaten blanchiert werden. Man gebe sie also für etwa 45 Sekunden in kochendes Wasser und schrecke sie sofort mit Eiswasser ab. So lässt sich die „Pelle“ leichter abziehen. Noch besser funktioniert das, wenn vor dem brühend heißen Bad die Haut mit dem Messer oben und unten eingeritzt wird. Die nun „nackten“ Tomaten in feine Scheiben schneiden. Es kann nicht schaden, ein superscharfes Messer zu benutzen, sonst gibt es Tomatenmatsch. Auberginen und Zucchini dürfen gehobelt werden – laut Videoanleitung in etwa zwei Millimeter dünne Scheiben. Für die Soße schneidet man Zwiebeln, Knoblauch und Paprikaschoten in grobe Stücke und gibt sie zusammen mit den Gemüseresten in einen Topf. Olivenöl, Pfeffer, Salz dazu und kochen, bis alles weich ist. „Jammy“ nennt der YouTube-Koch es sehr schön. Mit Kräutern – Rosmarin zum Beispiel –, noch etwas mehr Salz und Öl pürieren: fertig ist die Soße, die auf den Boden der Form gegeben wird. Achtung: nicht zu viel – nur so, dass das Gemüse nicht auf dem Boden anbrennt. Darüber kommt das geschichtete Allerlei aus Tomate, Zucchini und Aubergine. Fertig! Wunderbarer Wortwitz – ganz nach meinem Geschmack So weit, so easy. Trotz des tollen Clips mussten wir allerdings ein wenig improvisieren, denn eine genaue Mengenangabe fehlt in der virtuellen Kochanleitung. So hatten wir im Eifer des Gefechts so viel Gemüse geschnitten und geraspelt, dass es für zwei (Auflaufformen) reichte. Die haben wir zum guten Schluss mit aus Backpapier zurechtgeschnittenen „Deckeln“ belegt. Das ist wichtig, damit das Gemüse nicht von oben her verkohlt. Alles wandert für 90 bis 100 Minuten in den Ofen – fast genug Zeit, um den Film anzuschauen. Das taten wir dann auch, während das Ratatouille vor sich hin garte. Ein Bauerngericht im Gourmet-Restaurant? Ratatouille habe ich bis zu diesem Koch-Event übrigens noch nie gegessen. Zum ersten Mal hörte ich als Teenager davon: Damals schrieb meine Brieffreundin aus Paris mir in etwas holperigem Deutsch, der (Verzeihung, ich zitiere an dieser Stelle nur) "Ratatouille-Fraß" sei ihr Lieblingsessen. Für mich klang das allerdings wenig verlockend. Sie hat sich vermutlich an ihr Dictionaire und die wörtliche Übersetzung gehalten: Rata heißt Fraß, touiller bedeutet rühren... Das Ratatouille ist – stelle ich bei der Recherche fest – eine regionale Speise der französischen Küche und galt lange als "Bauerngericht" oder "Arme-Leute-Essen". Ausgerechnet das in einem Feinschmecker-Lokal anzubieten, ist eigentlich ebenso abwegig wie die Idee des Drehbuchautors und Regisseurs Brad Bird, ein in nicht eben gutem Ruf stehendes Nagetier zum Protagonisten und zum Meisterkoch zu machen. Beides funktioniert jedoch – auf der Leinwand zumindest. Doch was ergibt der Realitätscheck des Rezepts? Unser einstimmiges Votum: Yummi! Das französische Nationalgericht hat uns fantastisch geschmeckt und wird zum Nachahmen empfohlen! |